Die wissenschaftlichen Grundlagen
Endometriumbiopsie
Die Endometriumbiopsie kann ambulant ohne Narkose erfolgen und ggf. mit einer sog. „diagnostischen Gebärmutterspiegelung“ (Hysteroskopie) kombiniert werden. Bei der Endometriumbiopsie werden wenige Zellen der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) entnommen und anschließend in Formalin fixiert. Da nur wenige Zellen entnommen werden, sind die Risiken (Verletzung, Infektion, Blutung) sehr gering.
Wir haben die Erfahrung gesammelt, dass unsere Patientinnen ganz unterschiedlich auf die Biopsie reagieren: manche spüren gar nichts, bei anderen löst sie einen kurzen Schmerzreiz ähnlich wie bei der Periode aus. Manchmal kann die Einnahme von z.B. Buscopan® und/ oder Voltaren® etwa 1h vor der Biopsie helfen. Im Anschluss an die Biopsie wird das Gewebe in speziellem Versandmaterial direkt nach Mannheim in unser Labor versandt.
Uterine natürliche Killerzellen
Uterine natürliche Killerzellen (uNK-Zellen) sind Immunzellen, die besonders in der zweiten Zyklushälfte (Lutealphase) und in der Frühschwangerschaft eine wichtige immunologische Funktion übernehmen. Sie heißen „Killer“-Zellen, da sie Viren und Bakterien aber auch Tumorzellen „killen“ und so den Organismus schützen. Mit einem Anteil von etwa 70% der Immunzellen im ersten Drittel der Schwangerschaft an der feto-maternalen Grenzzone stellen die uNK-Zellen die bedeutsamste Population aller Immunzellen dar (1,2).
Die internationale Datenlage aus den bisher durchgeführten Studien zum Thema „uterine natürliche Killerzellen und Schwangerschaft“ ist derzeit nicht einheitlich (3). Insgesamt gibt es vermehrt Hinweise, dass sich eine erhöhte Anzahl an uterinen natürlichen Killerzellen möglicherweise negativ auf eine Einnistung (Implantation) bzw. Schwangerschaft auswirkt (1,4,5).
Nach unserer Erfahrung an über 20000 Endometriumbiopsien und Untersuchung der uNK-Zellen zeigt sich ein auffälliger Befund im Sinne einer Erhöhung der uNK-Zellen in etwa 20-30 % der Frauen mit rezidivierendem Implantationsversagen (RIF) bzw. mit rezidivierenden Aborten (RSA) (6).
Uterine Plasmazellen
Uterine Plasmazellen reichern sich bei einer chronischen Entzündung in der Gebärmutterschleimhaut an (sog. chronische Endometritis). Die chronische Endometritis verläuft meist asymptomatisch oder mit nur milden bzw. unspezifischen Symptomen wie chronischen Unterbauchschmerzen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr (Dyspareunie), (irregulären) vaginalen Blutungen sowie persistierendem vaginalen Ausfluss (Fluor). Dies erklärt, warum sie in vielen Fällen unerkannt bleibt (7).
Eine exakte Diagnostik einer chronischen Endometritis ist über den Nachweis von uterinen Plasmazellen in einer Endometriumbiopsie möglich. Unsere Diagnostik weist diese sehr sicher mit dem Oberflächenmarker CD138 nach.
Derzeit gibt es noch keine einheitliche internationale Definition wie eine chronische Endometritis anhand von Endometriumbiopsien zu diagnostizieren ist. So besteht kein Konsens ob bereits beim Vorliegen von einer oder erst nach dem Vorliegen mehrerer Plasmazellen pro Gesichtsfeld eine chronische Endometritis vorliegt (8-10).
Dies erklärt auch, warum die Häufigkeit für das Vorliegen einer chronischen Endometritis bei Patientinnen mit rezidivierendem Implantationsversagen (RIF) bzw. mit rezidivierenden Aborten (RSA) in den unterschiedlichen Studien eine große Schwankung von 9-57,8 % aufweist (8,11-17).
Nach unserer Erfahrung an über 20000 Endometriumbiopsien beträgt die Häufigkeit einer chronischen Endometritis etwa 10-15 % bei Frauen mit RIF bzw. mit RSA.
Uterine regulatorische T-Zellen
Regulatorische T-Zellen sind T-Lymphozyten, die eine wichtige Rolle bei der Selbstregulation des Immunsystems spielen, indem sie eine überschießende immunologische Reaktion beispielsweise gegen körpereigene Zellen verhindern.
Uterine regulatorische T-Zellen regulieren die Aktivität des Immunsystems und können die Toleranz gegenüber dem Embryo fördern. Diese spielen ebenso wie die uterinen natürlichen Killerzellen eine wichtige immunologische Rolle während der Implantation und in den frühen Stadien der Schwangerschaft.
Die Bedeutung regulatorischer T-Zellen im Zusammenhang mit der Einnistung und Frühschwangerschaft wurde in verschiedenen Studien untersucht (18-21). Bei Patientinnen mit rezidivierendem Implantationsversagen (RIF) bzw. mit rezidivierenden Aborten (RSA) wurde festgestellt, dass sie signifikant weniger uterine regulatorische T-Zellen im Endometrium aufweisen als gesunde Kontrollpersonen (22-24). Dies weist darauf hin, dass eine Abnahme der uterinen regulatorischen T-Zellen die endometriale Rezeptivität und die Embryoimplantation beeinträchtigen kann.
Endometriale BCL6 Expression
Hintergrund: Was ist BCL6?
B-Cell lymphoma 6 (BCL6) ist ein nukleäres Protein, das zur Diagnose von B-Zell Lymphomen eingesetzt wird. BCL6 nimmt nicht nur entscheidende Funktionen bei der Kontrolle des Zellzyklus, der Zelldifferenzierung und der Inhibition von Apoptosevorgängen ein (25-26), es stimuliert zudem die Expression proinflammatorischer Zytokine (27-29). Eine chronische Inflammation kann zu Implantations- sowie Blutungsstörungen und Dysmenorrhoe führen. Die Endometriose ist mit inflammatorischen Prozessen, einer gesteigerter endometrialen Proliferation, einer verminderten Apoptose sowie einer veränderten zellulären Immunität vergesellschaftet. Dabei ist die oftmals vorliegende Östrogendominanz zugleich mit einer verminderten Antwort auf Progesteron (sog. Progesteronresistenz) assoziiert (30-32). In den letzten Jahren wurden eine Vielzahl an Publikationen zur BCL6 Expression bei Kinderwunsch und/oder Endometriosepatientinnen veröffentlicht (33-43). Diese konnten zeigen, dass eine endometriale BCL6 Überexpression bei Patientinnen mit Endometriose vermehrt nachgewiesen werden kann und eine Progesteron-antagonistische Wirkung am Endometrium entfaltet. Eine BCL6 Überexpression führt zu einer Beeinträchtigung des Endometriums im Zeitraum der Implantation und wird daher als Biomarker für ein dysfunktionales Endometrium und als ein entscheidender ursächlicher Faktor für eine Progesteronresistenz diskutiert.
Wie wird die endometriale BCL6 Expression bestimmt?
Die Stärke der BCL6 Expression in den endometrialen Drüsen kann semiquantitativ mit Hilfe der Immunhistochemie bestimmt werden. Dabei wird ermittelt, wieviel Prozent der Zellkerne in welcher Intensität gefärbt sind (sog. HSCORE). Eine BCL6 Expression mit einem HSCORE > 1,4 wird als auffällig beschrieben(33, 34, 37-40). Der Entnahmezeitpunkt der Endometriumbiopsie sollte 7-10 Tage nach Ovulation in einem natürlichen Zyklus sein.
BCL6 Expression und Kinderwunsch
Es gibt zwischenzeitlich zahlreiche Studien, welche sich auf die BCL6 Expression bei Kinderwunschpatientinnen mit/ohne Endometriose fokussieren (33-40). Diese weisen auf eine hohe Sensitivität (93 %) und Spezifität (96 %) für das Vorliegen einer Endometriose hin (39). In einer prospektiven Kohortenstudie wiesen zudem 75 % der Patientinnen mit idiopathischer Sterilität eine BCL6-Überexpression im Endometrium auf, welche mit einer signifikant niedrigeren Schwangerschafts- und Lebendgeburtenrate (17,3 vs. 64,7 % und 11,5 vs. 58,8 %) assoziiert war (34). Ebenso konnte bei Patientinnen mit RIF sowie RSA eine signifikant höhere Expression von BCL6 im Endometrium im Vergleich zu gesunden Frauen nachgewiesen werden (35,37).
Behandlungsoptionen
Vorgehen bei erhöhten uterinen natürlichen Killerzellen
Derzeit gibt es keine einheitlichen immunologischen Therapien bei Vorliegen von erhöhten natürlichen Killerzellen und rezidivierendem Implantationsversagen (RIF) bzw. rezidivierenden Aborten (RSA). International kommen unterschiedliche Behandlungsoptionen zum Einsatz. Diese umfassen Glukokortikoide (z.B. Prednisolon), Lipidlösungen (z.B. Intralipid®) und Immunglobuline.
Die meisten der vorliegenden Studien zur Behandlung von erhöhten uterinen Killerzellen nutzen Glukokortikoide und Lipidlösungen, es handelt sich jedoch zum jetzigen Zeitpunkt um einen individuellen Therapieversuch (sog. off label use) (45-47).
Glukokortikoide
In einer Studie mit Frauen, welche an idiopathischen rezidivierenden Aborten leiden und erhöhte uterine Killerzellen aufweisen, konnte durch die Gabe von 20 mg Prednisolon oral täglich von Zyklustag 1-21 eine signifikante Reduktion der uterinen Killerzellen erreicht werden (45). Dennoch ist zu bedenken, dass Glukokortikoide auch Nebenwirkungen beinhalten können wie u.a. die Entwicklung eines Gestationsdiabetes, eines arteriellen Hypertonus, einer Frühgeburt, eines erniedrigten Geburtsgewichtes sowie von Störungen der kindlichen neurologischen Entwicklung und einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (49, 50).
Lipidinfusionen
Lipidinfusionen enthalten Sojaöl und werden bereits seit vielen Jahren in der Behandlung von Intensivpatienten zur Ernährungstherapie eingesetzt. Einige Studien konnten zeigen, dass Lipidinfusionen die Aktivität der natürlichen Killerzellen im Blut senken (52-55). Eine Studie, welche sich auf die Gabe von Lipidinfusionen bei Frauen mit erhöhten uterinen Killerzellen fokussierte gibt es bislang nicht.
Es wurde für den Einsatz von Lipidinfusionen in den vorliegenden Studien bei Patientinnen mit Implantationsversagen bzw. vermehrten Fehlgeburten keine Nebenwirkungen berichtet. Allerdings muss vor Gabe von Soja-haltigen Lipidinfusionen eine Allergie gegen Soja, Erdnüsse und Eigelb ausgeschlossen werden.
Vorgehen bei erhöhten Plasmazellen bzw. Nachweis einer chronischen Endometritis
Die Behandlung einer chronischen Endometritis erfolgt durch die Gabe von Antibiotika. In Studien konnte gezeigt werden, dass es dadurch zu einem Rückgang der Entzündungsreaktion kommt und sich die Chancen für eine Lebendgeburt in der kommenden Schwangerschaft erhöhen (12,14,15,59,60). Zur Verfügung steht das Breitspektrumantibiotikum Doxycyclin, welches meist 14-Tage angewendet wird. Es werden in den Studien unterschiedliche Dosierungen angewendet (u.a. 100 mg Doxycyclin zweimal täglich für 14 Tage) (9,10,12). Alternative Therapieschemas können Antibiotika wie Azithromycin, Metronidazol, Ciprofloxacin, Levofloxacin oder Amoxicillin/Clavulansäure umfassen.
Vorgehen bei erniedrigten uterinen regulatorischen T-Zellen
Es konnte gezeigt werden, dass die Gabe von HCG (intrauterin/subkutan) zu einem Anstieg der (uterinen) regulatorischen T-Zellen führt. Studien deuten darauf hin, dass die Gabe von HCG bei Patienten mit RIF/RSA, die eine Verringerung der uterinen regulatorischen T-Zellen zeigen, ein möglicher neuer therapeutischer Ansatz sein könnte.
Aktuelle Studien bestätigen, dass:
Ein mögliche Behandlung basiert auf den Ergebnissen einer Metaanalyse, welche die Daten von 15 randomisierten kontrollierten Studien mit 2763 Patientinnen einschloss und die Gabe von 500 IE HCG innerhalb von 15 Minuten vor dem Embryotransfer empfiehlt (64).
Bei der Behandlung von erniedrigten uterinen regulatorischen T-Zellen handelt es sich um ein individuelles Vorgehen (off label use).
Behandlungsoptionen bei BCL6 Überexpression
In einer prospektiven Kohortenstudie untersuchten Likes et al. den Effekt einer medikamentösen (Suppression mit GnRH-Agonist über 2 Monate) oder operativen (Laparoskopie) Therapie vor einem erneuten Embryotransfer bei Frauen mit idiopathischer Sterilität und BCL6 Überexpression (38). Die Lebendgeburtenrate war in den Behandlungsgruppen signifikant höher, als bei Frauen, die unbehandelt blieben. Ebenso wurden im Rahmen des ASRM Meetings 2020 weitere Zwischenergebnisse zur medikamentösen als auch operativen Behandlung basierend auf Daten von 7 Zentren und 189 Patientinnen gezeigt, welche die bereits publizierten Daten unterstützen (44).
Likes et al. assessed the effect of pharmacological (GnRH agonist suppression for 2 months) or surgical (laparoscopy) therapy prior to embryo transfer in women with unexplained infertility and BCL6 overexpression in a prospective cohort study (38). The live birth rate was significantly higher in the treatment groups than in women who remained untreated. Also, during the ASRM Meeting 2020, further interim results on medical and surgical treatment based on data from 7 centers and 189 patients were presented, supporting the previously published data (44).
Ihre behandelnde Ärztin/ behandelnder Arzt wird mit Ihnen mögliche Therapieoptionen unter Berücksichtigung Ihrer persönlichen Vorgeschichte und individuellen Risikofaktoren besprechen.
Literatur